Krebs bei Kindern

Häufigkeiten

Krebserkrankungen sind im Kindes- und Jugend-alter selten. In Deutschland sind davon etwa 1.800 junge Patienten bis zum 18. Lebensjahr betroffen. 350-400 Kinder und Jugendliche überleben ihre Erkrankung langfristig nicht, obwohl sie mit allen modernen Möglichkeiten der Medizin behandelt wurden. Damit ist der Krebs die zweithäufigste Todesursache (nach Verkehrsunfällen) bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland.

Die Krebsdiagnosen unterscheiden sich vom Erwachsenenalter deutlich. Im Kindesalter sind die häufigsten bösartigen Erkrankungen Leukämien (34 %), Hirntumoren (23 %), Lymphknotenkrebs (11 %), Neuroblastome (7 %), Nierentumoren (6 %), Weichteilsarkome (6 %) und Knochensarkome (5 %). Zusätzlich werden viele sehr seltene Tumorarten diagnostiziert. Karzinome sind im Kindes- und Jugendalter außerordentlich selten (unter 1 %). Bei Erwachsenen machen sie dagegen mehr als 90 % der Neuerkrankungen aus. Die Vielfalt der Diagnosen und die Komplexität der Therapie macht eine enge Zusammenarbeit zwischen den Kliniken und allen beteiligten Fachdisziplinen erforderlich. Erfreulicherweise ist dies seit vielen Jahren gelungen: 93 % aller in Deutschland diagnostizierten Krebspatienten im Kindes- und Jugendalter werden nach einheitlichen Richtlinien behandelt.

Die Heilungschancen

Die äußerst verschiedenen bösartigen Erkrankungen erfordern differenzierte Behandlungskonzepte. In Deutschland werden krebskranke Kinder und Jugendliche nach einheitlichen, stets aktualisierten Therapieplänen behandelt. Expertengruppen der Fachgesellschaft für Kinderkrebsheilkunde (GPOH) entwickeln sogenannte Behandlungsprotokolle, die für die häufigsten bösartigen Erkrankungen ein altersgerechtes und an das individuelle Risiko angepasste Vorgehen beschreiben. Die jungen Patienten profitieren von dieser qualitätsgesicherten und kontrollierten Behandlung, so dass heute die 10-Jahres-Überlebensrate bei 82 % für alle Kinderkrebserkrankungen liegt. 1980 lagen die 10-Jahres-Überlebensraten noch bei etwas über 40 % (Daten des Deutschen Kinderkrebsregisters, Universität Mainz).

Für überlebende Patienten ist der Weg bis zur Heilung aber außerordentlich belastend und leider in nicht wenigen Fällen von gesundheitlichen Spätfolgen beeinträchtigt. Krebs im Kindesalter wächst oft wesentlich aggressiver und schneller als bei Erwachsenen. Vermutlich gerade deshalb sprechen sie bei Kindern oft recht gut auf Chemo- und Strahlentherapie an.

Die Behandlungsmöglichkeiten

Für die Behandlung gilt der Grundsatz: „so viel wie nötig und so schonend wie möglich“. Damit soll einerseits der Handlungserfolg gesichert werden, anderseits die akuten Nebenwirkungen aber möglichst gering gehalten und Spätfolgen möglichst ganz vermieden werden. In den meisten Fällen wird eine Kombination aus den Behandlungselementen Operation, Chemotherapie und Bestrahlung eingesetzt. In manchen Fällen ist auch eine Stammzelltransplantation sinnvoll. Innovative Ansätze sind z.B. die Immuntherapie und gezielte Ausschaltung von krebswichtigen Molekülen in der Krebszelle. So wird gezielt in den Stoffwechsel der bösartigen Zelle eingegriffen. Die vielfältigen Überlebensstrategien, gerade auch der Krebszelle, machen dabei häufig kombinierte Behandlungen notwendig, um Fluchtwege der Krebszelle auszuschalten.

Die Operation

Die Operation dient einerseits der Diagnostik (Probebiopsie), soll aber möglichst auch die Entfernung des Tumors (oder mindestens seine Verkleinerung) zum Ziel haben. Hierzu gehört auch die prothetische Versorgung, z.B. bei Verlust von Gliedmaßen. Die operative Behandlung hat gerade im letzten Jahrzehnt enorme Fortschritte gemacht.

Die Chemotherapie

Diese ist bei vielen Krebserkrankungen im Kindesalter notwendig. Die Dauer der Chemotherapie, die Kombination der Medikamente und die Stärke der Nebenwirkungen richten sich ganz individuell nach der Art der Erkrankung. In aller Regel dauert sie zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. Chemotherapie ist in den allermeisten Fällen mit einer hohen Belastung für die Kinder und Jugendlichen verbunden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine höchst mögliche Intensität der Behandlung (hohe Dosis, schnelle Abfolge) mit besseren Überlebenschancen belohnt wird. So sollten nicht regelhafte Pausen möglichst vermieden werden. Moderne, zielgerichtete Therapien sind mit der Hoffnung verbunden, dass die Toxizität der Behandlung deutlich reduziert werden kann ohne dass damit ein Wirkungsverlust einhergeht.

Die Bestrahlung

Ziel einer Strahlentherapie ist die Vernichtung der Krebszellen durch Röntgenstrahlen oder durch die Anwendung radioaktiver Substanzen. Da eine Strahlentherapie selbst zur Entstehung neuer, andersartiger Tumoren beitragen kann, versucht die Pädiatrie, die Strahlenbehandlung mit möglichst geringen Dosen durchzuführen oder sogar ganz zu vermeiden. Dies ist aber Gegenstand klinischer Forschung, damit Überlebenschancen durch Vermeidung von Strahlentherapie nicht vermindert werden.

Stammzelltransplantation und Hochdosistherapie

Bei einigen Krebsdiagnosen können Krebszellen nur durch ultrahohe Medikamentendosen abgetötet werden. Dies ist dann mit einer gleichzeitigen – nicht gewünschten- Vernichtung der normalen Blutbildung (Knochenmark) verbunden. Da die Blutbildung für die Patienten unverzichtbar ist, werden vor der Gabe der Hochdosis-Medikamente Blutstammzellen entnommen, asserviert (eingefroren) und nach der Ultrahochdosis-Chemotherapie zurückgegeben. Diese Stammzellen nisten sich dann erneut im Knochenmark ein und sorgen für die Fortsetzung der Blutbildung und sichern damit das Überleben.

Eine Stammzelltransplantation ist bei Kindern und Jugendlichen keineswegs in allen Fällen sinnvoll. Bestimmte Formen einer Leukämie, eines Lymphoms oder anderer Tumoren (z. B. Neuroblastom) können damit aber erfolgreich behandelt werden.

Die Blutstammzellen können vom Patienten selbst stammen (autologe Stammzelltransplantation) oder von Stammzellen eines anderen Menschen (allogene Stammzelltransplantation). Grundsätzlich bevorzugt wird die Stammzelltransplantation mit eigenen Stammzellen des Patienten, da sie besser verträglich ist. Wenn die Stammzelle aber selbst oder das Knochenmark im Allgemeinen krank ist (z. B. bei einer Leukämie) müssen aber fremde, gesunde Blutstammzellen von einem Spender kommen. Dazu dienen die Knochenmarkspenderdateien, die deutschlandweit, sogar weltweit miteinander vernetzt sind.

Prof. Dr. Frank Berthold, Kinderonkologe

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