Es gibt sie und sie werden immer mehr.
Survivor – Langzeitüberlebende einer Krebserkrankung im Kindes- und Jugendalter.
Wie wunderbar!
Am 29. September 2018 fand in Köln der erste bundesweite Survivor Day für sie statt. Organisiert vom Dachverband, der deutschen Kinderkrebsstiftung. Ein straffer Tag mit wichtigen Vorträgen zum Thema, Informationsständen und vor allem: ganz viel Austausch und Freude am Leben!
Junge Erwachsene kamen hier zusammen, die eines verbindet: eine Zäsur in ihrem Lebenslauf, besondere und einschneidende Erlebnisse teils in sehr jungen Jahren, die sie immer von Gleichaltrigen mit linearen Lebensläufen unterscheiden wird. Dieser Tag war zutiefst ergreifend – denn für genau diese Menschen setzen wir uns ein!
Was heißt es, ein Survivor zu sein?
Es heißt zunächst einmal, sich in das Leben zurück gekämpft zu haben. Durch alle Höhen und Tiefen gegangen zu sein bei diesen bis an die Grenzen (und teils weit-darüber-hinaus) gehenden Therapien. Ein verständiges Raunen huschte an diesem Tag jedes Mal durch den Saal, wenn knappe Andeutungen über intensivste körperliche Reaktionen gemacht wurden. „Ach ja, Ihr wisst ja..“ –Kleine Kinderkörper, die nichts bei sich behalten können. Wochenlange extreme Reizung der Schleimhäute – was zum Beispiel zu entzündeten Mundschleimhäuten führt, wodurch jedes Essen, jedes Trinken zur Tortur wird.
„Ach ja, Ihr wisst ja..“ – egal, wie unterschiedlich die Diagnosen, die Krankheitsbilder und ihre -verläufe auch sind – jeder Survivor musste sich zurück in den Alltag kämpfen. Im Kindes- und Jugendlichenalter sehnt man sich nach nichts anderem, als „normal“ zu sein, ein Teil der Masse zu sein, keine Sonderrolle einzunehmen. Überlebender zu sein kann aber auch bedeuten, dass die Überwindung der Krankheit zu einem körperlichen und/oder psychischen Preis gewonnen wurde.
Wie fühlt es sich an, mit einer halbseitigen Gesichtslähmung eingeschult zu werden? Und dort auf Mitschüler zu treffen, die nicht gerade zimperlich mit den Mitmenschen umgehen, die nicht der Norm entsprechen.
Wie fühlt es sich an, nach erfolgreichen Tumoroperationen, Bestrahlungen und Chemotherapien sich in der Klasse immer in die erste Reihe setzen zu müssen, weil das Gesichtsfeld eingeschränkt ist und das Hörvermögen stark vermindert ist – und dafür dann als Streber verschrien zu werden?
Im Fokus der nächsten Jahre muss also eindeutig eine qualitativ bessere Einbindung des Umfeldes erfolgen. Damit die Teilhabe in Schule und Berufsausbildung reibungsloser (und häufig genug auch weniger schmerzvoll) passiert.
Katastrophal sind zum Teil die Erfahrungen mit der medizinischen Betreuung im Erwachsenenalter. Die niedergelassenen Hausärzte sind häufig überfordert mit möglichen Langzeitwirkungen mancher Therapien, die durchaus erst ein Jahrzehnt später nach Behandlung auftreten können. Kommt ein junger athletischer Mann in die Praxis, denkt man nicht automatisch an eine mögliche Herzinsuffizienz aufgrund früherer Chemotherapien. Zumal nicht alle Survivor ihre Krankengeschichte bei einem „normalen“ Arztbesuch offenlegen.
Die Organisatorin des Survivor Days, Ria Kortum von der Deutschen Kinderkrebsstiftung, richtet deshalb den ganz konkreten Appell an die Anwesenden: „Kümmert Euch um Eure Gesundheit!“.
Die ehemaligen Patienten müssen Experten für ihren eigenen Körper sein oder werden.
Das interdisziplinäre Konzept zur Langzeitnachsorge, das im Universitätsklinikum Schleswig Holstein in Lübeck entwickelt wurde, verbreitet sich nun endlich über ein Netzwerk auch an weitere Standorte an deutschen Kliniken. Hier erfolgt der nötige Schulterschluss der Kinderonkologen mit den Spezialisten der Erwachsenenmedizin. Dort können auch wichtige psychosomatischen oder psychologische Fragen gestellt werden – denn auch das wurde herausgearbeitet: Es gibt mögliche Langzeitwirkungen in Gestalt von Angststörungen oder Depressionen aufgrund der Erlebnisse.
Umso wichtiger ist es, frühzeitig Hilfestellungen anzubieten!
Für viele Familien und insbesondere für die Patienten selbst hörte das Thema Krebserkrankung nach der akuten Nachsorge auf. Viele sprachen über Jahre nicht mehr oder nur sehr begrenzt über ihre Erfahrungen. Bei manchen lugen die Erlebnisse der Vergangenheit an überraschender Stelle hervor. Jeder hat auf seine Weise eine Strategie gefunden, mit den Erfahrungen der Vergangenheit umzugehen: „Meine Prioritäten im Leben sind anders“, „ich habe echte Freundschaften erleben dürfen“ .
Der SurvivorDay zeigte auf, wie wichtig eine Vernetzung rund um das Thema Survivor ist. Sich miteinander austauschen zu können, ohne viel erklären zu müssen, ist der Schlüssel. Denn in erster Linie sind es lebensbejahende, tolle, mutige, mitreissende junge Menschen, die im herbstlichen Sonnenschein in Köln zusammenkamen.
„Das Leben“ wurde im Anschluss an den vollgepackten Informationstag dann auch würdig gefeiert:
Gemeinsam ging es mit einem Abendspaziergang im Anblick des Kölner Doms zu einem Brauhaus. Die urkölsche Karnevalsband „Miljö“ heizte bei ihrem Benefizauftritt sogar schunkel-unerfahrenen Nordlichtern ein…
Ergreifendes Highlight war die spontane Darbietung des Regenbogensongs. Die Regenbogenfahrer sind Survivor, die sich jedes Jahr auf eine Fahrradtour begeben, um akut in Behandlung befindlichen Kindern und Jugendlichen und deren Familien Mut zuzusprechen.
Was bedeutet das für einen Förderverein wie uns?
Es bestärkt uns in unserem Tun.
Wir wissen, dass eine Krebserkrankung im Kindes- und Jugendlichenalter immer eine ganze Familie betrifft. Deshalb sind unsere Angebote ganzheitlich auf die Familie ausgerichtet.
In allen Berichten – ob auf der Bühne oder im persönlichen Gespräch – wurde immer wieder aufs Neue betont: „ohne meine Familie, ohne die selbstlose, häufig 24-Stunden-am-Tag-Begleitung am Krankenbett, hätte ich es nicht geschafft“.
Das Elternhaus mit seiner Übernachtungsmöglichkeit in unmittelbarer Nähe ermöglicht unter anderem die wichtige „Familienzusammenführung“, dass auch das zweite Elternteil und mögliche Geschwister vor Ort zusammenkommen können. Es dient als Rückzugsraum, damit Eltern und Geschwister Kraft tanken können, um das Patientenkind in seinem Überlebenskampf langanhaltend unterstützen zu können. Gerade auf sie sind unsere Angebote auch ausgerichtet.
Die Ferienfreizeiten und weiteren Angebote sind wichtige Plattformen, um zwanglos auf Mitmenschen mit ähnlichen Erlebnissen zu treffen.
Die Forschungsförderung bleibt für unseren Förderverein eine wichtige Säule. Viele dieser wertvollen Menschen hätten an diesem Tag nicht „das Leben feiern“ können, wenn nicht seit über zwei Jahrzehnten Spendengelder der lokalen Elternvereine und des übergeordneten Dachverbandes gezielt für kinderonkologische Forschung eingesetzt worden wäre.
Die langfristige Begleitung von Survivorn ist eine Herausforderung, der wir uns stellen möchten.
Es gibt drängende medizinische und gesundheitsökonomische Themen. Es gibt erste gute Ansätze, sie stecken zum Teil aber noch in den Kinderschuhen. In der Gesellschaft brauchen Survivor eine eigene, eine laute Stimme. Damit sie am Leben mit gleichen Chancen teilhaben können.
Liebe Survivor – ihr habt es in der Hand zu gestalten.
Traut Euch, findet Euch zusammen, probiert aus, welcher Austausch für Euch spannend ist – oder schnackt einfach nur so zusammen.
Wir können uns dem Aufruf des DKS nur anschliessen: Vernetzt Euch und tauscht Euch aus!
Wir in den Elternvereinen können Euch und Eure Ideen unterstützen.
Auf dem ersten Survivor Day lernten sich erste Interessierte aus dem Kölner Umkreis kennen. Hinterlasst bei Interesse doch Eure Mailadresse im Elternhaus unter elternhaus@krebskrankekinder-koeln.de