Nach Beendigung der akuten Therapie eines krebskranken Kindes sind noch lange nicht alle Sorgen und Ängste zu Ende. Deshalb nehmen einige Familien die Möglichkeit einer Nachsorgemaßnahme in Anspruch. So auch unser Mitglied Karine, deren Tochter Katharina an Krebs erkrankte. Die gesamte Familie erholte sich in einer vierwöchigen Kur in Bad Oexen und hat ihre Eindrücke wie folgt festgehalten:
Nachdem unsere Tochter im Dezember an Leukämie erkrankt war, musste sich nicht nur Katharina (12) als Patient in einer anderen Umgebung orientieren: auch die beiden Geschwister Klarisse (6) und Maximilian (11) sahen sich plötzlich zusammen mit den Eltern von heute auf morgen mit einer „anderen Welt“ konfrontiert. Niemand wurde gefragt, ob er in diese Situation wollte, aber es stellen sich Fragen nach Leben und Tod. Zeit, darüber nachzudenken, Schritt für Schritt zu verarbeiten, gab es für keinen der fünfköpfigen Familie. Erst einmal ging es ums „überleben“.
Schon während dieser intensiven Chemotherapie kam die Sozialarbeiterin auf uns zu, um uns eine Familienkur zu empfehlen. Nachdem wir viel Positives gehört hatten, beantragten wir eine vierwöchige Familienkur und erhielten wenige Wochen später die Bewilligung der Antragsstelle.
Der Patient – unsere Katharina – war mittlerweile von der Intensivtherapie sehr geschwächt und rappelte sich langsam auf. Eltern und Geschwister hatten Katharina nach Kräften begleitet und unterstützt; es gab untereinander in der Familie Gespräche, immer wieder. Trotzdem blieben im langsam wieder errungenen Alltag die Zweifel: wie geht es uns wirklich? Nach den gemachten Erfahrungen tauchte zudem die berechtigte Frage des skeptischen Maximilian auf: „Und wenn uns das dort nicht gefällt? Vier Wochen sind ganz schön lang!“
Ich hatte mir diese lange Zeit als sehr schön vorgestellt. Allein die Vorstellung, die ganze Familie würde zusammen sein und gemeinsam Zeit miteinander verbringen, war bereits eine Vorfreude. Wir fuhren also nach Bad Oexen. Die Klinikgebäude liegen unweit von Bad Oeynhausen in einem Park verstreut, umgeben von grünen Feldern, die zum Spazieren gehen einladen. Nach einer herzlichen Begrüßung lernten wir die Gebäude und deren Funktionen kennen und wir wurden in unsere Wohnung gebracht. Für die Familien im Haus gab es eine gemeinsame Küche und Wohnzimmer sowie eine geräumige Terrasse mit Kamin.
Am nächsten Tag sind wir von den Ärzten „aufgenommen“ worden: eine erste Untersuchung mit dem Festlegen des Programms für die nächsten vier Wochen. Wir erhielten jeder den individuellen Wochenplan, der uns nun täglich von morgens nach dem Frühstück um 8 Uhr bis abends beschäftigen würde. Selbst nach dem Abendessen hatten wir mitunter „Programm“. Das Programm war kurzweilig und abwechslungsreich: neben Gruppengesprächen, Einzelgesprächen, mal nur für Kinder, mal nur für Erwachsene, mal gemischt, mal als Familie: es war alles dabei. Regelmäßig wurden unterschiedliche Entspannungstechniken angeboten, diese eingehend auszuprobieren und auch soweit zu vertiefen, dass sie uns auch nach der Kur ein Hilfsmittel im Alltag wurden.
Jeder hatte „sein“ Sportprogramm: sei es in der „Muckibude“, im Stall mit den Pferden, in der Turnhalle oder im Schwimmbad): für jeden war etwas dabei. In der Villa Kunterbunt gab es ein Betreuungsangebot für Jugendliche, während Klarisse als Jüngste jederzeit einen Anlaufpunkt in der Drachenhöhle hatte. Im Außengelände befand sich ein großer Spielplatz und es bestand die Möglichkeit, einen fahrbaren Untersatz auszuleihen: Fahrräder, Roller, Gokarts etc. Zusammen mit weiteren Familien haben wir die Aktivitäten über vier Wochen dokumentiert und eine CD für alle erstellt, während andere Familien gebastelt haben, malten, kochten oder töpferten. In dieses vielfältige Programm reihte sich zudem der Schulunterricht ein.
Umrahmt bzw. unterbrochen wurde das Programm durch die Mahlzeiten im zentralen Haus: abwechslungsreich, schmackhaft und ausgewogen. Wir haben uns gut verwöhnen lassen! Gesundheitsseminare waren die Theorie zur erlebten Praxis. Suchtprävention, Ernährung, Sport und Bewegungstechniken wurden in entsprechen theoretischen Einheiten vertieft. Zur abendlichen Stunde wurden gemeinsam gebastelt, eine Geschichte für die Kinder vorgelesen oder eine besondere Sportart angeboten (Tai Chi, Qi Gong). Einmal in der Woche wurden die Kinder abends betreut, so dass die Eltern Bad Oexen auch einmal verlassen konnten.
Am Wochenende wurden Ausflüge in die nähere Umgebung angeboten. Wir haben nicht vergessen zu feiern: während unserer Zeit haben wir einen gemeinsamen Martinszug erlebt und an einigen Abenden Stockbrot am Kaminfeuer gebacken. Die Kur hat die Familie wieder „geerdet“, hat uns erleichtert und wir konnten gemeinsam wieder leben und nicht nur funktionieren.
Die Betreuung der Ärzte, Pädagogen und Psychologen, Animateure und Sportler war sehr gut. Nicht nur, dass wir eine hohe Kompetenz feststellen konnten, sondern das Team war besonders gut aufeinander abgestimmt und herzlich. Ob Köchin, Bedienung oder die Putzfrau: jeder hatte ein nettes Wort für jeden Kurgast und erledigte die anfallenden Arbeiten mit einem Lächeln. Die vier Wochen waren „im Nu“ vorbei – gerne denken wir an die Familienkur zurück!
Rückblickend mag man es nicht glauben, aber die vier Wochen waren entspannend, nicht stressig. Sie waren sehr erholsam. Und wir sind sehr dankbar, diesen Monat erlebt zu haben.
Karine und Matthias