Erfahrungsbericht von Katharina Roth, 13 Jahre
Wie alles anfing? Gute Frage. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht wann es anfing. Es war nur auf einmal da. An einem Tag war ich müde, schlapp, und sah aus wie eine frisch gestrichene weiße Wand. Aber kein Fieber, nix. Am nächsten Tag fühlte ich mich pudelwohl, als wäre nie etwas gewesen, mir ging es gut, ich konnte zur Schule. Dann bekam ich ein Gerstenkorn, das ist eine Entzündung unter dem Augenlied. Also: Zum Arzt. Zwei Tage später hatte ich tierische Ohrenschmerzen. Und dann war da auch noch mein gebrochener Arm, dazu aber später was. Meine Kinderärztin dachte, es wäre irgendein Infekt, gab mir ein Antibiotikum. Nach drei Tagen sah ich aber immer noch aus wie der erste Schnee, und das ist doch jetzt recht komisch, oder? Für das, was sich zwei Tage später herausstellte aber kein bisschen.
Wir kamen gerade aus der Uniklinik Köln wieder, denn man hatte mich von meinem Plastikgips befreit, als wir einen schockierenden Telefonanruf bekamen: Frau Dr. Satow. Ich habe erstmal gar nichts kapiert, habe meinen Ranzen geholt. Als ich wieder herunter kam, saß Papa aber immer noch am Telefon. „Und welche Klinik würden Sie uns da empfehlen?“ Bitte was? Wer sollte hier ins Krankenhaus? Ich bestimmt nicht, mir ging es an dem Tag (mal wieder) gut. Als Papa auflegte, und er mir erklärte, meine Blutwerte wären ziemlich merkwürdig gewesen und sie hätten einen Verdacht auf eine Blutkrankheit, höchstwahrscheinlich Leukämie, bin ich ausgeflippt. Wieso sollte ich dort hin? Ich kam doch grade von dort! Ich? Unmöglich! Ich habe geweint, geschrien ich würde da nicht hingehen. Ich fing an mir Ausreden auszudenken (und das stimmt wirklich!) wieso ich das nicht sein könnte. Das wäre die falsche Person, das wäre falsches Blut, also gar nicht von mir… Allerdings war das alles ziemlich unrealistisch. Also bin ich hoch, habe meine Sachen gepackt und wir sind los. Was danach passiert ist weiß ich nicht mehr, das habe ich alles gar nicht so wirklich registriert. Ich vermute mal, dass ich allen möglichen Ärzten vorgeführt und untersucht wurde. Dann bin ich abends bei Nora im Zimmer gelandet. Zum Glück konnte sie mir so einigermaßen alles erklären, obwohl sie was ganz anderes hatte. Und dann hatte ich ja noch Janina und Markus, die an diesem Abend Dienst hatten.
Frau Dr. Satow hatte Recht, es war Leukämie, die ALL, Blutkrebs oder wie man es auch nennen möchte. In den nächsten Tagen ging alles ziemlich schnell: Ich bekam einen Broviak implantiert, ich durfte dies und das nicht mehr essen, das nicht mehr tun, dort nicht mehr hingehen, aber musste Tabletten schlucken dazu diesen abscheulichen Cotrim-Saft. Viele sagen jetzt: „Katharina, wieso nimmst du dann nicht die Tabletten?“ Die waren nämlich für mich viel zu groß.
Der Anfang war schlimm, die ersten Chemos auch, aber nach einer Zeit gewöhnt man sich irgendwie auch daran. Man kennt dann so ein bisschen alle, kennt den Tagesablauf…
Dazu kommt jetzt was: Ich habe die meiste Zeit, als es mir gut ging, mit Karen und Ines verbracht (beide echt nett!), im Spielzimmer oder in meinem Patientenzimmer. Die beiden hatten immer so tolle Ideen, da konnte einem gar nicht langweilig werden. An Ostern Osterkörbchen, Leinwände, Dosen, Perlen…Später kam noch Maxie hinzu, eine Studentin (auch total lieb!) dazu, mit ihr habe ich ein Körperbild gemalt, was auch abgedruckt ist. Das bin nicht ich jetzt gerade, sondern wie ich vorher war, und wie ich wieder werden wollte. Meine Haare wachsen aber etwas dunkler nach, mal gucken ob sie wieder heller werden. Wenn ich nicht im Spielzimmer war oder gebastelt habe, hatte ich aber trotzdem was zu tun, wenn ich wollte. In der Woche war ja auch immer Visite, man konnte sich Filme oder Bücher ausleihen…Mir war selten langweilig.
Nach der Intensivtherapie, die ich eigentlich im Großen und Ganzen gut überstanden habe, muss ich aber immer noch mal in die Ambulanz, aber schlimm ist das nicht, da ich weiß, dass ich nur dadurch gesund werde. Der Brovi ist endlich wieder draußen, ich darf wieder schwimmen gehen, Freunde besuchen… An meinem Geburtstag durfte ich auch für ein paar Tage nach Nordfrankreich zu Oma und Opa. Das war schön!
Das Elternhaus hat für Geschwister eine Fahrt auf den Bauernhof organisiert und Maxi und Klarisse waren dabei. Ich war dann alleine, war aber auch bei Freunden…J
Ich hätte mich nie in eine andere Klinik gewünscht und danke allen, die mir in der letzten Zeit geholfen haben, gesund zu werden und moralisch nicht unterzugehen:
Erst mal meiner Familie, Papa, Maman, Klarisse und Maxi; Herrn Professor Berthold; Herrn Professor Simon; Herrn Dr. Fischer; Herrn Dr. Hömberg; Herrn Dr. Bönsch; Herrn Kirchgäßner; Frau Porath; Sylvia (eine total liebe Studentin); allen Schwestern und Pflegern von Station und Tagesklinik; Karen; Ines; Maxie; allen im Elternhaus; meinen Freunde; und alle, die ich kennengelernt habe!!!
Ich weiß wovon ich spreche: Kopf hoch, kämpft, das wird alles wieder! Glaubt mir!
Katharina Roth