Forschungsprofessur

„Mehr verstehen, damit mehr Kinder überleben“:

Interview mit Stelleninhaber Prof. Dr. Matthias Fischer

Im Jahr 2016 übernahm Prof. Dr. Matthias Fischer die neu eingerichtete Stiftungsprofessur „Experimentelle Kinderonkologie“ an der Universitätsklinik in Köln, die der Förderverein mitinitiert und -finanziert hat.

Herr Prof. Dr. Fischer, Sie sind in Köln bereits seit vielen Jahren in der Kinderkrebsforschung tätig. Was haben Sie sich als Stiftungsprofessor vorgenommen?
Mein mittel- und langfristiges Ziel ist es, mit Hilfe der Molekularbiologie die Therapie krebskranker Kinder zu verbessern.  Mein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Forschung am Neuroblastom, einer Krebsart, die fast ausschließlich bei Kleinkindern auftritt. Warum gibt es bei dieser Erkrankung auf der einen Seite hochaggressive Verläufe mit schlechter Prognose und auf der anderen Seite Spontanrückbildungen ohne jegliche Therapie? Hier haben wir in den letzten Jahren wertvolle Kenntnisse gewonnen, auf denen ich aufbauen möchte. Dennoch werde ich meine Professur nicht auf diesen Aspekt reduzieren, sondern auch andere Bereiche der pädiatrischen Onkologie mit einbeziehen.

Welche Fortschritte lassen sich mit Hilfe der Molekularbiologie erreichen?

Sie hilft uns nicht nur dabei, besser nachzuvollziehen, wie Krebszellen entstehen, sondern auch für jeden Patienten maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln. Bisher heißt es beispielweise: „Das ist ein  Hochrisiko-Neuroblastom – das behandeln wir immer auf die gleiche Weise.“ Heute wissen wir, dass die Tumoren dieser Patienten unterschiedliche genetische Veränderungen aufweisen, die wir mit unterschiedlichen Medikamenten gezielt angreifen können. Was treibt genau diesen Tumor an? Wodurch verlieren die Zellen den Wachstumsanreiz und wie erreichen wir, dass sie absterben? Das sind die Fragen, die wir uns jedes Mal neu stellen.

Es gibt also nicht das eine Medikament, das nur gegen eine spezielle Krebsart angewandt wird?
Richtig. Viele neue Medikamente sind nicht für eine bestimmte Diagnose bestimmt, sondern wirken molekularspezifisch. Das heißt: Die  molekulare Veränderung, gegen die das Medikament zum Beispiel bei einem Patienten mit einem Neuroblastom wirkt, kann auch bei Lungen-, Darm- oder Brustkrebs vorliegen.

Hilft diese personalisierte Medizin auch dabei, die erheblichen Nebenwirkungen einer Therapie abzuschwächen?
Unser erstes Ziel ist es, die Überlebenschancen unserer Patienten zu erhöhen. Fast ebenso wichtig ist es aber auch, die Nebenwirkungen zu reduzieren. Sie müssen bedenken, dass wir zum Teil sehr kleine Kinder behandeln. Auch wenn sie den Kampf gegen die Krankheit gewinnen, leiden sie  nicht selten für den Rest ihres Lebens an erheblichen Schäden, die durch die Toxizität der Therapie verursacht wurden. Unser Fokus ist daher von Krankheitsbild zu Krankheitsbild unterschiedlich. Beim Morbus Hodgkin beispielsweise, einer Lymphdrüsenkrebsart, haben wir heutzutage phantastische Resultate: über 95 Prozent der erkrankten Kinder und Jugendlichen überleben langfristig. Deswegen lautet hier die Frage: Wie können wir Toxizitäten reduzieren bei gleichen Überlebensraten? Bei Hochrisiko-Neuroblastom-Patienten hingegen liegen die Langzeitüberlebensraten bei 30, bestenfalls 40 Prozent. Da verschiebt sich das Gewicht: Hier müssen wir zuerst mehr verstehen, damit mehr Kinder überleben können. Im zweiten Schritt können wir uns dann Gedanken machen, wie wir Therapie-bedingte Schäden reduzieren können.

Arbeiten Sie in diesem Bereich auch mit anderen Universitätskliniken zusammen?
Selbstverständlich. Die Kinderonkologie lebt besonders von der Interaktion und Kooperation mit  verschiedenen Forschungsinstituten. Um einen neuen Standard zu entwickeln und voranzubringen, muss man kooperieren, denn die Anzahl an Patienten ist eben doch sehr niedrig. In Deutschland kooperieren wir besonders eng mit dem Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der Universitätsklinik Berlin. Wir stellen selbst Daten zur Verfügung und erhalten auch Daten von anderen Forschern. Außerdem hat sich der Standort Köln in den letzten Jahren im Bereich der personalisierten Onkologie ungeheuer dynamisch entwickelt. Wir arbeiten hier auf dem Campus sehr eng mit Kollegen zusammen, die an der Erforschung von Lungenkrebs, Darmkrebs oder Leukämie arbeiten. Die Uniklinik Köln ist in diesem Forschungsbereich heute technisch und wissenschaftlich sehr stark aufgestellt.

Was unterscheidet eine Stiftungsprofessur von einer „normalen“ Professur?
Eine Stiftungsprofessur ist ein Mittel, um die Forschung in einem bestimmten Bereich auf den Weg zu bringen. Die Finanzierung erfolgt über Stifter, in unserem Fall den Förderverein für krebskranke Kinder e. V. Köln. Die Professur wird bei positiver Evaluation durch eine unabhängige Kommission nach 5 Jahren von Universität übernommen. Diese stellt auch teilweise das benötigte Personal sowie die Laborräume, Geräte und Verbrauchsmittel; ein anderer Teil wird über Förderorganisationen, wie z.B. die Deutsche Krebshilfe oder das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Ohne die Stiftungsprofessur müssten wir die Mittel für die Forschungsarbeit komplett selbst aufbringen – sie bietet daher Stabilität, damit wir uns  auf das Wesentliche konzentrieren können. Mein Team und ich sind sehr motiviert, unsere Forschung weiter voranzubringen. Die letzten Jahre an der Uniklinik in Köln waren wirklich eine ganz tolle Zeit – ich hoffe, das geht noch ein bisschen so weiter.

Was hat sich für Sie durch Ihre neue Funktion im Berufsalltag geändert?
Seit dem Antritt der Stiftungsprofessur bin ich nicht mehr jeden Tag auf Station oder in der Ambulanz, sondern widme mich hauptsächlich der Forschung und Patienten, die mit neuartigen personalisierten Therapien behandelt werden. Ich sehe mich aber weiterhin als Wissenschaftler und Arzt. Deswegen übernehme ich alle paar Wochen für eine Woche die oberärztliche Verantwortung für die kinderonkologische Station. So behalte ich weiter den Kontakt zu den Kindern  und  Eltern. Die Arbeit in der Klinik ist mir sehr wichtig: Sie holt mich immer ein bisschen zurück auf den Boden der Tatsachen.

Das Interview führte Barbara Boßhammer, Förderverein für krebskranke Kinder e. V. Köln, in 2016.

Zur Person:
Prof. Dr. Matthias Fischer ist seit 1999 an der Universitätsklinik Köln tätig und baute dort neben seiner Tätigkeit als behandelnder Arzt das molekularbiologische Labor im Bereich Kinderonkologie auf. Zuvor studierte Prof. Fischer an der Universitätsklinik Köln Humanmedizin, und begann seine wissenschaftliche Laufbahn in der Abteilung für Immunologie im Institut für Genetik der Universität zu Köln. Prof. Fischer wuchs in Köln auf, ist verheiratet und Vater eines Sohns.

Zum Thema Neuroblastom:
Mit jährlich rund 150 Betroffenen zählt der bösartige Tumor zu den häufigsten Krebsarten im Kindesalter. Die meisten der kleinen Patienten sind nicht älter als fünf Jahre, wenn die Krankheit bei ihnen diagnostiziert wird.

Interessante Links:

„Preisregen für Kölner Forschung“ – Sowohl Professor Fischer als auch die Arbeit in seinem Team wurden international ausgezeichnet

Artikel zur Stiftungsprofessur im Kölner Stadtanzeiger

Weitere Forschungsförderung durch Förderverein für krebskranke Kinder e.V. Köln